Samstag, 1. September 2012

Wiederholungswahlen in Dortmund oder wenn Demokratie im Endstadium ankommt


Zuerst darf ich mich bei allen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern bedanken. Wir haben großartige Unterstützung des Landesvorstandes und vieler GenossInnen sowohl aus unserem Kreisverband als auch aus anderen Kreisverbänden erfahren, ohne die der Wahlkampf auf diesem Niveau gar nicht durchführbar gewesen wäre. 100.000 Knallrot-Wahlkampfzeitungen und 32.000 Bürgerbriefe sind nur 2 Zahlen aus dem Wahlkampf. Darüber hinaus zeigen eine Veranstaltung der Fraktion vor Ort mit Katja Kipping und eine Veranstaltung des Dortmunder Kreisverbandes mit Oskar Lafontaine die große Unterstützung auf.

Man kann es aber nicht beschönigen – die Wiederholungswahlen in Dortmund waren eine klare Niederlage für DIE LINKE. Gegenüber den Landtagswahlen sind noch einmal 3000 Stimmen verlorengegangen und gegenüber der Kommunalwahl 2009 sogar rund 6000 Stimmen. Da tröstet es auch nicht, dass aufgrund der katastrophal niedrigen Wahlbeteiligung von nur 32,7% (14% weniger als 2009) alle angetretenen Parteien ebenfalls Verluste bei den absoluten Stimmen hatten. (SPD -14.402 / CDU -19.689 / Grüne -6.796 / LINKE -6.310 / FDP -9.367 / Bürgerliste -1.305 / Nazis -2.000 / Linkes Bündnis (DKP/SDAJ) -401)

Es ergibt sich ein prozentuelles Wahlergebnis von SPD 43,7% (+5,9) / CDU 27,2 % (-1,5) / Grüne 17,2% (+1,8) / LINKE 3,5% (-2,0) / FDP 2,6% (-3,7) / Bürgerliste 1,9% (-0,1) / NPD 1,9% (-0,4, 2009 hatten NPD und DVU 0,8% und 1,5%) / FBI 1,2 % (+0,1) / Linkes Bündnis (DKP+SDAJ) 0,5% (-0,1).

Daraus leitet sich für den Rat, bei 10 Ausgleichsmandaten weniger als 2009, folgende Sitzverteilung ab: SPD 38 + OB (+1) / CDU 23 (-5) / Grüne 15 (0) / LINKE 3 (-2) / FDP 2 (-4) / Bürgerliste 2 (0) / NPD 2 (0, seit 2009 hatten NPD und DVU je 1 Sitz) / FBI 1 (0)

Für DIE LINKE ist der Fraktionsstatus im Rat damit knapp gerettet worden.

Bei den Bezirksvertretungswahlen sind die Verluste ähnlich. Allerdings haben wir von den 13 BezirksvertreterInnen aus 2009 nur 2 verloren. Selbst der Fraktionsstatus in den Innenstadt-Nord konnte erhalten werden, wo allerdings die Wahlbeteiligung mit 16,7% noch einmal erheblich niedriger lag als im Stadtdurchschnitt.

Insgesamt also eine verlorene Wahl – der große Wahlbetrüger SPD von 2009, wegen dem überhaupt die Wiederholungswahl stattfand, ist gestärkt aus der Wahl hervorgegangen. Die 8000 Mitglieder der Dortmunder SPD und die gute Vernetzung in den Vereinen, Verwaltungen und Verbänden haben eine Mindestmobilisierung erzeugt, der die anderen Parteien aufgrund ihrer Größe (CDU 3000 Mitglieder, Grüne und Linke bei 300) nichts Vergleichbares entgegen setzen konnten. Wenn nur noch die Mitglieder und ihre Freunde wählen gehen und sonst keiner mehr an der Wahl teilnimmt, dann gewinnt derjenige, mit der größten Mitgliedschaft haushoch. Und das unabhängig von der Vorgeschichte.

Für DIE LINKE zeigt sich dies auch in der Wählerbefragung des Amtes für Statistik und Wahlen. Zusammen mit Grünen und der FDP verfügten unsere Wähler über das höchste Bildungsniveau aller Parteien. Das heißt im Umkehrschluss aber, dass Arbeiter oder Erwerbslose im großen Stil nicht zur Wahl gegangen sind und nur noch linksintellektuelle Wählerschichten oder Beschäftigte der Stadtverwaltung im Dortmunder Wahlkampf erreicht wurden.

Ein Thema mit durchschlagender Wirkung war das Thema des gescheiterten Versuches von Jamaika zwei Stadtbezirke im Norden Dortmunds aufzulösen. SPD und LINKE hatten seinerzeit die Auflösung gemeinsam verhindert. Offenbar wurde dieser Erfolg von den BürgerInnen aber einseitig ausschließlich der SPD zugeschrieben. Während die SPD in den 5 durch die Auflösung betroffenen Stadtbezirken Zugewinne von rund 10% erzielen konnten und nun in 3 Bezirksvertretungen die absolute Mehrheit bilden, hatten wir auch dort die 2% Verluste wie im sonstigen Stadtgebiet.

Wenig überraschend ist leider, dass auch in Dortmund wieder erheblich weniger Frauen DIE LINKE wählen als dies Männer tun. In der Altersgruppe 25-44 Jahre zeigt sich zudem ein deutlich unterschnittlicher Wählerzuspruch, während wir bei den Erstwählern und bei allen Altersgruppen oberhalb von 45 Jahren überdurchschnittliche Werte erzielt haben.

Interessant ist auch der Wählerzuspruch nach dem Geburtsort. Gebürtige DortmunderInnen wählen DIE LINKE deutlich unter dem Durchschnitt. Deutsche, die in anderen Regionen Deutschlands geboren wurden, wählen dagegen DIE LINKE überdurchschnittlich oft und MigrantInnen wählen uns sogar doppelt so stark wie im Durchschnitt.

Eine gewisse Aussagekraft für zukünftige Wahlkämpfe kann die Frage haben, welcher Wahlaspekt für die Wahlentscheidung die wichtigste Rolle hatte: Bundespolitik, Landespolitik, Kommunalpolitik oder der/die KandidatIn. Beim Wahlsieger SPD antworten die WählerInnen, dass die Landespolitik die größte Bedeutung für ihre Wahlentscheidung hatte und die Kommunalpolitik sowie die aufgestellten KandidatInnen die geringste Bedeutung. Es scheint also so, dass angesichts der Haushaltslüge die Menschen trotzdem SPD gewählt haben um die Regierung Kraft nicht zu beschädigen, obwohl sie von der lokalen SPD deutlich weniger überzeugt sind, als das Wahlergebnis aussagt.

Bei der LINKEN ergibt sich ein spiegelverkehrtes Bild, auch wenn natürlich nicht gesagt werden kann, wie denn die Erwerbslosen und Arbeiter die nicht zur Wahl gegangen sind, diese Fragen beantworten würden: Unsere WählerInnen haben der Landespolitik jedenfalls die geringste Bedeutung für ihre Wahlentscheidung beigemessen. Die Bundespolitik hatte dagegen einen deutlich überdurchschnittlichen Stellenwert für die Wahlentscheidung. Die Kommunalpolitik hatte Bedeutung in gleicher Größenordnung wie der Wählerzuspruch. Die weitaus größte Bedeutung für die Wahlentscheidung unserer Wähler hatten allerdings die aufgestellten KandidatInnen. Und das obwohl wir genauso wie im vergangenen Landtagswahlkampf keinen Personenwahlkampf gemacht haben, sondern einen Themenwahlkampf. Diese Themen waren auch von der Bevölkerung angenommen worden, wie eine Umfrage des Dortmunder START-Institutes gezeigt hatte. Kinderarmut hatte Platz 1 der wichtigen Themen. Mehr als 90% fanden das Wahlkampfthema Rechtsextremismus wichtig. Aber wegen der richtigen Themenauswahl alleine, wird man offensichtlich nicht gewählt. Dies hat die Landtagswahl mit der Dortmunder Kommunalwahl gemeinsam.

Ein Gegenbeispiel war der Sonderfall Wickede. Hier konnten die Grünen nicht antreten, weil sie bei der Kandidatenaufstellung einen Fehler gemacht hatten. Zufälligerweise war dies ausgerechnet mein Wahlkreis, und den Elfmeter konnte ich als Umweltpolitischer Sprecher meiner Fraktion leicht und locker verwandeln. Hier ist es über eine Verknüpfung der Umwelt- (Schnellstrassenbau/Flughafen) und Sozialthemen (Alleinerziehende und Hartz IV, Wohnungspolitik) mit mir als Kandidaten gelungen die Stimmen der Grünen nahezu vollständig auf die Linke zu ziehen und die SPD um ~10% im lokalen Ergebnis gegenüber den sonstigen Umfeld zu drücken. Im Spitzenwahllokal ergab sich dadurch ein Wahlergebnis von 23,4%. Für die Wahlkampfstrategie 2014 ist sicher aus der Wahl in Dortmund zu lernen, dass eine Mischung von Themen und Personen notwendig ist. Ohne die Darstellung der Menschen die für unsere Themen glaubwürdig, kontinuierlich und lokal verankert einstehen, sind Wahlen offensichtlich nicht zu gewinnen. Aber sie sind zu gewinnen und das sollte uns Hoffnung machen.