Mittwoch, 4. September 2013

Was ist eigentlich los in Ägypten ?



Ein politischer Reisebericht jenseits unserer Medienmeldungen

Um es vorweg zu nehmen: Der folgende Bericht hat sicher keine Allgemeingültigkeit für alle Regionen Ägyptens, sondern spiegelt das wieder, was ich in den Touristenzentren des südlichen Sinais – insbesondere in Dahab – erlebt und wahrgenommen habe. In allen drei Urlauben habe ich im gleichen Hotel ein bisschen außerhalb von Dahab gelebt.

Ich war nun bereits zum dritten Mal in Dahab. Meine erste Reise unternahm ich vor 5 Jahren im Jahr 2008 als Mubarak noch Präsident von Ägypten war. Damals wurde ich auf dem Weg vom Flughafen Sharm-El Sheik bis nach Dahab (2 Stunden Autofahrt) vier Mal an Straßensperren des Militärs angehalten und musste mich einer Personenkontrolle unterziehen. Auf dem Flughafen Sharm-El Scheik patrouillierten Militärs mit Maschinenpistolen, die aber aufgrund ihrer ruhigen und zurückhaltenden Art erstaunlicherweise kaum bedrohlich wirkten, sondern die Sicherheit auf dem Flughafen garantierten.

In Dahab selbst waren die Hotels ausgebucht. Neben den Europäern von denen Deutsche, Briten, Italiener, Tschechen und Russen die größten Anteile hatten, machten auch viele Ägypter vor allem aus der Metropole Kairo dort Urlaub. Sowohl Kopten als auch Muslime waren vertreten. Die Frauen waren hochgeschlossen gekleidet und am Strand gingen die Frauen in voller Gewandung ins Wasser, um die Blicke der Männer nicht zu verführen. Das Verhältnis zwischen Ägyptern und den auf dem Sinai lebenden Beduinen schien allerdings nicht zum Besten bestellt, denn diese wurden in aller Regelmäßigkeit verscheucht und auf Abstand gehalten, was diese durch Bemerkungen honorierten, dass der Sinai eigentlich ihr Land sei. Wer Kontakt zu den Einheimischen wollte, musste diesen schon in eigener Regie aufnehmen. Die Beduinen erzählten ihrerseits von der großen sozialen Not und von einem informellen Abkommen mit Israel – wer krank oder schwer verletzt ist, wurde von den Israelis per Hubschrauber zur Behandlung nach Israel gebracht, medizinisch behandelt und danach wieder zurückgebracht. Die ägyptische Führung kümmerte sich um das Wohl der Beduinen dagegen ins keiner Weise.

Vor zwei Jahren, also 2011 war ich zum zweiten Mal dort. Mubarak war gerade erst durch eine Revolution breiter Teile der Bevölkerung abgesetzt worden. Mursi war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht Präsident Ägyptens. Das Militär war verschwunden. Auf dem Weg zwischen Sharm-El Sheik und Dahab winkten die desinteressiert wirkenden Polizisten an zwei Polizeiposten die Transferbusse einfach durch. Das Hotel war etwa zur Hälfte ausgebucht. Eine demokratische Revolution war den Europäern offenbar nicht geheuer und sie zogen andere Reiseziele vor, was sowohl von den im Hotel arbeitenden Ägyptern als auch von den anwesenden Europäern kaum verstanden wurde.

Doch dann die erste Überraschung. Mitten im Hotel gab es gut versteckt in einem als Appartmenthaus getarntem Gebäude eine koptische Kirche. Der Besitzer des Hotels – ebenfalls ein Kopte – outete sich nach der Revolution und hoffte auf ein Ende der bisherigen Repression gegen seine Glaubensgemeinde. Die Verwaltung von Dahab reagierte entsprechend. Sie richtete einen Busshuttle zwischen dem Ort und dem Hotel ein – nicht der Touristen wegen, sondern damit in Dahab lebende Kopten die Kirche im Hotel besuchen konnten, denn im Ort gab es keine Kirche. Touristen aus Kairo waren kaum vorhanden – offenbar waren die Menschen beschäftigt. Auch das Verhältnis zwischen Beduinen und Ägyptern schien sich verbessert zu haben. Anstatt die Beduinen zu verjagen hatte man sich arrangiert. In geringem Umfang waren Beduinenkinder zum Verkauf von selbst herstellten Freundschaftsbändchen zugelassen und die Männer warben dafür ihre Dromedare und Pferde mieten zu können – auch für Ausflüge ins Landesinnere. Eine gute Einnahmequelle für die Beduinen, die nun ebenfalls vom Tourismus profitierten.

Und nun im Jahr 2013 war ich erneut in Dahab. Der zwischenzeitlich demokratisch gewählte Präsident Mursi von der Muslimbruderschaft war gerade erst vom Militär abgesetzt. Blutige Auseinandersetzungen mit hunderten Toten in der Region Kairo hatten bereits stattgefunden. Der Flughafen Sharm-El Sheik wirkte wie eine leere große Halle. Es gab kaum Touristen. Das Hotel in Dahab war nur zu rund 20% ausgebucht. Auf dem Weg zwischen Sharm-El Sheik und Dahab gab es wieder verstärkte Polizeistellungen. Diese winkten aber die Fahrzeuge mit Touristen unbehelligt durch. Dennoch: Die vor zwei Jahren nur leicht bewaffneten Polizisten waren durch Maschinengewehrstellungen aufgerüstet worden. Man wollte wohl kein Risiko eingehen. Entsprechend abgeriegelt war Dahab. Ausflüge ins Innere des Sinai waren plötzlich aus Sicherheitsgründen verboten.

Überrascht war ich, dass es mir nicht gelungen ist, einen Gegner des Militärputsches zu finden. Egal wen man fragte – ob Kopten, Muslime oder Beduinen – alle waren mit der Absetzung Mursis einverstanden. Die einzigen kritischen Stimmen monierten die Erschießungen von Muslimbrüdern auf den Demos. Aber Mursi und die Moslembrüder hatten sich in dieser Region alle Sympathien gründlich verscherzt. Mit dem Putsch waren die Menschen sehr zufrieden. Nach den Gründen für diese Haltung gefragt kam zutage, dass Mursi weit davon entfernt war ein Demokrat zu sein und der Putsch nicht die Demokratie gefährdete, die Mursi ohnehin ad absurdum führte. Die Verfassungskommission wurde von den Moslembrüdern dominiert und sie nutzen ihre Mehrheit um zu versuchen aus Ägypten einen islamischen Gottesstaat unter der Scharia zu machen. Kaum war die Verfassung verabschiedet wurde sie vom ägyptischen Verfassungsgericht auch gleich wieder einkassiert. Dass die christlich-orthodoxen Kopten mit einer radikalislamischen Gruppe nichts anfangen konnten ist geradezu selbsterklärend, aber vor allem die muslimischen Frauen haben sich inzwischen viele neue Spielräume erkämpft.

Das war auch am Strand zu sehen. Vorbei die Zeit als ägyptische Frauen in langen Gewändern mehr versuchten nicht im Meer zu ertrinken als wirklich zu schwimmen. Sie trugen nun nach westlichem Vorbild Badeanzüge. Und unter den Bediensteten des Hotels gab es etliche Frauen, die sogar das Kopftuch ablegten und sich gegen spitze Bemerkungen der Männer sehr erfolgreich zur Wehr setzten. Auf dem Inlandsflug nach Kairo, wo mein Flieger nach Deutschland auf mich wartete, waren sogar selbstbewusste muslimische Frauen im Minirock zu sehen. Während des gesamten Aufenthalts konnte ich nur eine einzige Frau in einer Burka erblicken. Und auch alleinreisende Frauen gab es nun, die „einfach mal raus“ wollten.

Für das Militär gab es aber auch ein gewichtiges außenpolitisches Argument Mursi abzusetzen, denn Mursi hatte zum heiligen Krieg in Syrien aufgerufen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt beschlossen die Militärs die Notbremse zu ziehen. Das war ein Argument, dem ich immer wieder begegnet bin. 

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